70 Jahre SE 42

11.09.2019

Die Entwicklung des SE 42 war das erste Sitzmöbelprojekt von Egon Eiermann und Wilde + Spieth. Seine damals neuartige Form machte ihn vor allem bei Architekten beliebt. Neben Egon Eiermann selbst sorgten renommierte Kollegen für die ersten Großabnahmen, indem sie den SE 42 in ihren Projekten einsetzten. Gleichzeitig machte Wilde + Spieth mit umfangreichen Werbemaßnahmen auf den neuartigen Stuhl aufmerksam und bot den Stuhl um 1953/54 sogar als Flatpack, inklusive Montageanleitung, an.

Nach und nach fand der neuartige Formholzstuhl immer stärkeren Anklang und das Konzept von innovativer Fertigungstechnik, modernem und ausgewogenem Design und einfacher Montagefähigkeit bewährte sich, so dass der Stuhl noch heute in nahezu identischer Form, Konstruktion und Herstellungsweise von Wilde + Spieth produziert wird.

Eiermanns wollte mit dem SE 42 (damals noch SE 3) einen Stuhl ausschließlich aus geformten, montierbaren Sperrholzteilen entwickeln. Der Entwurf sollte sich an der Form des menschlichen Körpers orientieren und gleichzeitig einen eigene Ästhetik erhalten. Die Neuartigkeit von Form, Material und Herstellungsweise bedingten einen umfangreichen Entwicklungsprozess. Die Sitzfläche stellte sich dabei als die größte Herausfordrung dar. Die Komplexität der Form und Eiermanns Anspruch den Biegungsradius des Sitzvorderteils so klein wie möglich zu halten, brachten die Herstellung an die Grenze des Machbaren. Der ausdauernde Entwicklungsprozess hat sich aber in mehrfacher Hinsicht gelohnt; so fanden Sitz und Lehe in mehreren Folgeprodukten, wie dem SE 68, Verwendung.

Einzelteile des SE 42

Werbematerial „Moderne Sitzmöbel“, 1960er Jahre

Anleitung zum Zusammenbau des SE 42, 1950er Jahre

Die Zusammenarbeit von Egon Eiermann und Wilde + Spieth hat einige Möbelentwürfe hervorgebracht, die heute als Klassiker der Moderne bezeichnet werden können. Sie sind im Spannungsfeld neuer Fertigungstechniken – wie der Biegetechnik für Sperrholz – und Material- und Rohstoffknappheit nach dem 2. Weltkrieg entstanden. Mit Ihren kompromisslosen, progressiven Designs sind sie die Vorboten einer damals neuen Ästhetik und Lebensweise, die wir heute für selbstverständlich erachten. Diese neue Art zu leben kündigte sich bereits in der Ausstellung „Wie Wohnen?“ von 1949/50 in Stuttgart an, in der die kreativen Pioniere ihrer Zeit ihre Vorstellungen in Form von Entwürfen von Wohnräumen präsentierten. Für die Ausstellung entwarf Eiermann eine Vierzimmerwohnung für eine fünfköpfige Familie. Der SE 42 war hier bereits als Prototyp vertreten. Die Ausführung der Modelle übernahm zum Großteil Wilde + Spieth.

„Erfrischungshalle“ im Altbau des Kaufhaus Merkur, Stuttgart, 1960er Jahre

Archivunterlagen, Rat für Formgebung, 1950er Jahre

Die Biegetechnik wurde in den USA seit 1940 erfolgreich angewendet. Als Wilde + Spieth und Egon Eiermann ihre Zusammenarbeit um 1949 begannen, verwendete die Firma bereits geformte Sperrholzteile für die Produktion ihrer Arbeitsstühle, die zu dieser Zeit vom Werk August Sommer in Plüderhausen/Württemberg gefertigt wurden. So kam auch Egon Eiermann in engeren Kontakt mit dieser neuen Herstellungstechnik, deren Vorteile und gestalterischen Möglichkeiten, Eiermann erkannte und für seine Möbelentwürfe zu nutzen wusste.

Ausstellungsansicht, Neue Sammlung, Pinakothek der Moderne

Fotografie
Studio Johannes Bauer, Tilgner–Kempf, Wilde + Spieth Archiv, Rat für Formgebung